von Julia Erdogan

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1. November 2015

Das außergewöhnliche computertechnologische Wissen und Können der Hacker kann in einer vollkommen vernetzten Gesellschaft Ängste vor dem Zusammenbrechen von Infrastrukturen, Kreditinstituten oder der Offenlegung von Wirtschaftsgeheimnissen schüren. Mitunter werden diese Befürchtungen Realität. Das Handeln von Hackern und Hacktivisten ist dabei häufig beeinflusst von der Überzeugung, durch Computertechnologie eine andere Gesellschaft schaffen zu können. Utopie, Selbstjustiz und Macht – das sind Themen der US-amerikanischen Hacker-Serie Mr. Robot von Sam Esmail (2015).

 

Der Protagonist Elliot Anderson (Rami Malek), ein introvertierter, isolierter Charakter mit Vertrauensproblemen, arbeitet bei einer IT-Sicherheitsfirma. Privat setzt er seine Fähigkeiten am Computer zudem ein, um sich in Daten anderer Menschen zu hacken, in ihr Leben einzugreifen und die Welt seiner Ansicht nach zu verbessern: Kriminelle wie Besitzer von Kinderpornografie und gewalttätige Drogendealer zieht er zur Verantwortung. Aber auch vor Freunden und Bekannten macht er keinen Halt: ihm Nahestehende versucht er, durch permanente Kontrolle und Hacks z.B. vor der Untreue ihrer Partner zu schützen. Im Falle seiner Freundin Angela (Portia Doubleday) behält er die Affären ihres Partners jedoch für sich. Ihren Freund sieht Elliot nämlich weitestgehend als harmlos und in gewisser Weise als leicht kontrollierbar an. Und so maßt sich der Protagonist an, in der Lage zu sein, die besten Entscheidungen für andere treffen zu können.

 

Dann trifft Elliot auf Mr. Robot (Christian Slater), den Anführer der Hackergruppe fsociety. Ihr Plan ist es, gleiche Lebensbedingungen für alle zu schaffen. In noch größerem Stil, als Anonymous 2010 in der Realität Paypal lahmlegte[1], plant die Gruppe, sämtliche Hypotheken und Kreditkartenschulden eines jeden Menschen zu eliminieren. Der fiktive Megakonzern E-Corp stelltedabei den Gegenspieler der Hacker. Illegale Geheimnisse des Unternehmens sollen aufgedeckt und zugleich seine finanziellen Mittel entzogen werden. Nicht eine kurzzeitige Störung der Systeme ist das Ziel der Hacker, sondern eine Revolution.

 

Dafür muss Elliot persönliche und moralische Grenzen überschreiten. Seinen psychischen Problemen und seiner Unfähigkeit, Menschen zu vertrauen, kann Elliot nicht anders als mit Morphiummissbrauch begegnen. Der Charakter des Protagonisten erinnert stark an den deutschen Hacker Karl Koch, der Ende der 1980er Jahre Daten an den KGB verkaufte.[2]  Angeblich mit dem Ziel, gleiche Bedingungen der Systeme im Kalten Krieg herzustellen. Zugleich ging es ihm auch um das Gefühl von Macht und Kontrolle, das durch das Hacken in Systeme beflügelt wurde. Wie Elliot hate Karl Koch den Sinn fr die Realität verloren. Er fühlte sich verfolgt, und sein Drogenkonsum steigerte sich stetig. Auch Elliot nutzt seine Fähigkeiten am Computer, um innerhalb seiner Moral- und Wertvorstellungen zu (ver-) urteilen. Er lässt sich für das Hacken jedoch nicht wie Karl Koch bezahlen.

 

Der überzeugenden Serie liegt eine fundierte Recherche zugrunde, wobei dem Zuschauer aber auch sämtliche bekannten Hacker-Klischees präsentiert werden - von den typischen schwarzen Kapuzenpullovern über die Masken, die an Anonymous erinnern. Jedoch erspart sich die Serie unangenehme, gestellte Dialoge über Computersicherheit, ohne dabei unverständlich für Laien zu werden. Die Titel der einzelnen Episoden nehmen gelungen auf den Hackerkontext Bezug. Die erste Folge heißt „hellofriend.mov“, in Anlehnung an erste Programmierschritte mit der einfachen Ausgabe von „hello world“. In den weiteren Folgen wird diese Idee fortgesetzt, so auch im Staffelfinale „zer0-day.avi“. Diese Schreibweise, Buchstaben durch ähnlich aussehende Zahlen zu ersetzen, entstand bei Hackern u.a. als Schutz gegenüber regulären Suchfunktionen. So blieben beispielsweise Chats durch Maschinensuche unentdeckt.[3] Darüber hinaus handelt es sich um ein Beispiel für die Veränderung von Sprache und Schrift, die sich auch in anderen Jugend- und Subkulturen findet. Zugleich referiert das Staffelfinale zum einen auf eine ungemeldete Sicherheitslücke, einen Zero-Day-Exploit, und zum anderen auf den Tag Null, von dem ausgehend alles offen ist.

 

Auch wenn Mr. Robot an einigen Stellen etwas verworren und undurchsichtig wirkt, was den psychischen Problemen von Elliot geschuldet ist, aber auch den vielen Machtspielen von Mitarbeitern von E-Corp, so bleibt die Serie dabei aber spannend. Stets werden moralische Fragen aufgeworfen, die das Konsumverhalten der Zuschauer und auch den Umgang mit Computertechnologie kritisch beleuchten. Die Serie erfasst einen Zeitgeist und greift dabei auf Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zurück. So werden zum Beispiel Bezüge zur Occupy-Bewegung hergestellt, die seit 2011 Banken und Finanzwesen in scharfe Kritik nehmen. Themen wie Umweltverschmutzung und die Verantwortung großer Konzerne werden darüber hinaus in der Serie aufgenommen. Nicht zuletzt sticht die schauspielerische Leistung von Rami Malek positiv hervor.




[1] Kristina Beer, DDoS-Attacke kostet Paypal 3,5 Millionen Pfund
[2] Susanne Nolte, Zum 20. Todestag von Karl Koch: Sündenfall
[3] Perea, Manuel/ Duñabeitia, Jon Andoni/ Carreiras, Manuel: „R34D1Ng W0Rd5 W1Th Numb3R5“ in: Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 2008, 34 (1): 237–241, hier S. 237.