von Bettina Greiner, Anne Kwaschik

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1. Februar 2013

„Wenn du mich anlügst, tue ich dir weh.“ „Zero Dark Thirty“, der neue Film der Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow, lässt den Zuschauer hautnah teilhaben an der zehnjährigen Suche nach Osama Bin Laden, dem Staatsfeind Nr. 1 der USA. Ob in den Folterkellern der CIA oder beim Eindringen der Navy Seals in dessen Versteck im pakistanischen Abbottabad: Man meint, den Gestank von Schweiß, Blut und Exkrementen in den „blacksites“ zu riechen, die Angst und den Wahnsinn des Gefolterten, später dann versetzt einen die Kameraführung samt der grüngefärbten Bilder in Nachtsichtoptik in die Position der amerikanischen Spezialkräfte, die Bin Ladens Haus am 2. Mai 2011 Etage für Etage stürmen und ihn schließlich zur Strecke bringen. Im Film wie im Leben dauert das etwa zehn Minuten, dann ist der Feind getötet. Was bleibt, sind in Nahaufnahme die Tränen jener sonst so abgebrühten CIA-Agentin, die seit 9/11 nach dem Anführer des Terrornetzwerks Al Quaida gesucht und ihn nun ausfindig gemacht hatte.
Weint Maya, so ihr Name im Film, aus Erschöpfung? Aus Enttäuschung? Die Tränen beschäftigen den Zuschauer, weil der Film sonst jede Psychologisierung und Emotionalisierung ausspart. Auch ist Maya, gespielt von der Schauspielerin Jessica Chastain, keine Erfindung des Drehbuchautors Mark Boal. Es hat diese Agentin wirklich gegeben und auch ihre Tränen auf dem Rückflug aus Pakistan.

„Zero Dark Thirty“ ist die Geschichte ihrer Obsession und zugleich die Geschichte einer amerikanischen Obsession, die man sich als persönliche Vendetta vorzustellen hat. So jung und harmlos Maya wirkt, sollte man sie nicht unterschätzen. Noch vor ihrem ersten Auslandseinsatz hat sie sich innerhalb der Agency den Ruf erarbeitet, ein „Killer“ zu sein. Davon können auch ihre Vorgesetzten ein Lied singen, die sie, insbesondere nach der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten, zunehmend unter Druck setzt: Sie will diese Jagd zu Ende bringen. Bin Ladens Tod steht für den Erfolg, der, nachweislich der Terroranschläge 2005 in London oder 2008 auf das Marriott Hotel in Islamabad, all die Jahre ausgeblieben ist. Und er verspricht das Ende einer Angst, von der auch die Geheimdienstmitarbeiter längst befallen sind: Sich auf einen Kebab außerhalb der stark befestigten amerikanischen Botschaft zu verabreden, ist zu gefährlich. Es ist eine der Stärken des Films, diese Bunkermentalität der Agenten vor Ort aufzuzeigen, in der der Tod des Feindes als Befreiungsschlag verstanden wird. Vielleicht deshalb Mayas Tränen. Auch wenn Bin Ladens Tod die Welt nicht sicherer gemacht hat.

Unwahrscheinlich ist hingegen, dass Maya über den moralischen Preis dieses Rachefeldzugs weint. Skrupel, was Folter betrifft, hat sie keine. Und auch wenn sie sich die Finger selbst nicht schmutzig macht: Dass das Überleben eines Gefangenen in einem der CIA-Geheimgefängnisse nicht vorgesehen ist, ruft bei ihr keine Reaktion hervor. Und sie hat kein Problem damit, den militärischen Spezialkräften den Tötungsbefehl für Bin Laden – immerhin ohne Prozess und Verurteilung – zu erteilen. Dabei hat Maya durchaus eindeutige moralische Vorstellungen. Sex mit einem Kollegen, erklärt sie ihrer Freundin und Mitarbeiterin Jessica, womöglich aus reiner Lust – das sei nichts für sie. So bin ich nicht, sagt sie.

Folter scheint jedoch in „Zero Dark Thirty“ ein Mittel zum Zweck, ein Instrument, dessen man sich nur aus einem Grund bedient: Weil es einem der Feind abverlangt – ein Feind, der sich nicht mehr wie zu Zeiten des Kalten Krieges mit Geld und den Verlockungen des american way of life bestechen lässt. Maya hat das für sich erkannt, Jessica hingegen will es nicht glauben. Sie steht in dem Film für eine nicht mehr zeitgemäße Haltung, glaubt an die Bestechlichkeit des Gegners, backt ihrem Informanten sogar einen Kuchen – und bezahlt dafür mit dem Leben: Der vermeintliche Doppelagent ist in Wahrheit ein Selbstmordattentäter. In der Realität heißt Jessica Jennifer Matthews. Sie starb 2008 zusammen mit sechs Kollegen durch eine Bombe, die ihr Kontakt, ein jordanischer Kinderarzt, gezündet hatte.

Kathryn Bigelow lässt keinen Zweifel daran, wie dreckig Folter ist. Die gezeigten Stresspositionen – schmerzhafte Zwangshaltungen beispielsweise in schmalen Kisten, die Gefangene durch Kooperation („Rapport“) beenden können –, dazu Deprivation, Entwürdigung und nicht zuletzt Waterboarding scheinen nachgerade den „Foltermemoranden“ entnommen zu sein, in denen während der Regierung Bush penibel aufgelistet wurde, an welcher Stelle ein Körper wie oft und aus welcher Distanz zu traktieren ist. Bezeichnenderweise stellen sich den CIA-Agenten im Film mit Präsident Obamas Folterverbot statt moralischer ausschließlich rechtliche Bedenken ein: Sie wolle doch nicht mit einer Hundeleine in der Hand erwischt werden, wird Maya von einem Kollegen gewarnt. Nichts zu tun, so wird jedoch schnell klar, ist auch unter den veränderten politischen Vorzeichen keine Option. Egal wie dreckig die Maßnahme also ist – einer muss es tun und verdient daher politische Rückendeckung.

In den USA haben die Folterszenen eine erbitterte Kontroverse losgetreten, die in den deutschen Feuilletons zumeist kritiklos kolportiert wird: Billigt „Zero Dark Thirty“ Folter? Wird die Rolle der Folter übertrieben dargestellt? Tatsächlich kann man darüber streiten, ob Folter in dem Film als ein erfolgreiches Instrument im „Kampf gegen den Terror“ dargestellt wird. Das liegt nicht zuletzt daran, dass man sich nie sicher ist, ob man einen Spielfilm sieht, von dem man eine moralische Einordnung hätte erwarten dürfen – oder eine Dokumentation, die Detailwissen aus der Welt der Geheimdienste vorgibt, über die sie gar nicht verfügen kann.

Doch wie auch immer man sich entscheidet, es ist erstaunlich, mit welcher Blindheit die amerikanische Auseinandersetzung von den hiesigen Kommentatoren wiedergegeben wird. Schließlich ist es nicht wichtig, ob es Folter war, die die entscheidende Information zur Ergreifung Bin Ladens geliefert hat. Was zur Debatte steht, ist doch vielmehr die Legitimität von Folter. Die Diskussion um ihre Effizienz hingegen ist vor allem eins: ein weiterer Sieg für alle Apologeten.