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Mächtige Geschichten. Der Journalismus und das Silicon Valley. Teil 1:

Die Peter Thiel Story

Geschichten aus dem Silicon Valley sind fast so allgegenwärtig wie die von dort stammenden Technologien. Das liegt auch daran, dass es zunächst einmal Geschichten sind, die die Start-ups aus dem Valley verkaufen. Zu den Geschichten von genialen Nerds, die in Garagen milliardenschwere Unternehmen gründeten, gesellen sich zunehmend solche von einflussreichen Tech-Bros, deren Macht die Demokratie gefährdet. Erzählungen aus dem Valley prägen aber noch viel tieferliegend unsere Kultur. Sie entscheiden häufig nicht nur darüber, welche Produkte wir konsumieren und welche Haltung wir zu bestimmter Hard- und Software einnehmen, sondern auch darüber, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Deshalb haben diese Geschichten Einfluss auf Börsenwerte, Risikokapital und Gewinne von Unternehmen, aber auch darauf, wie das Agieren von Tech-Konzernen politisch reguliert werden kann. Letztere haben also ein wirtschaftliches Interesse an der Verbreitung, Verstärkung oder Entkräftung von Geschichten über sich. Wie der Journalismus darüber berichtet, ist somit alles andere als trivial. Zwei aktuelle Formate, der Deutschlandfunk Podcast Die Peter Thiel Story und Karen Haos Buch Empire of AI. Dreams and Nightmares in Sam Altman’s Open AI, gehen unterschiedlich mit diesen Geschichten um, weshalb es mir lohnenswert erscheint, sie zu vergleichen. Im Podcast des Deutschlandfunks geht es um den 1967 geborenen Peter Thiel, der unter anderem den Bezahldienst Paypal und die Datenanalysefirma Palantir mitgründete. Als Investor von z.B. Facebook und Instagram häufte er nicht nur ein Milliardenvermögen an, sondern formte mit seinem Geld auch nicht unwesentlich die digitale Infrastruktur des 21. Jahrhunderts. Thiel war Mentor und Geschäftspartner des 18 Jahre jüngeren Sam Altman, dem Mitgründer und CEO von OpenAI. Dessen Produkte, ChatGPT und DALL-E, zählen mittlerweile zu den weltweit beliebtesten Apps und haben wesentlich das öffentliche Bild von Künstlicher Intelligenz geprägt. Um beide Personen ranken sich viele Legenden.

Die Peter Thiel Story ist ein sechsteiliger Podcast von Plotprodukt, den der Deutschlandfunk seit Ende Mai 2025 veröffentlichte und der seitdem mehr als dreieinhalb Millionen Mal abgerufen wurde.[1] Plotprodukt produzierte bereits 2023 für den WDR eine erfolgreiche Podcast-Serie über Elon Musk, in der Thiel schon am Rande vorkam. Gehosted wird Die Peter Thiel Story von Fritz Espenlaub, der das Leben von Thiel vor allem seit dessen Studium in Stanford in den 1980er Jahren bis heute nacherzählt. Mithilfe von Thiels Netzwerk und seinen Ideen will der Podcast besser verstehen, „in welcher neuen Welt wir uns jetzt befinden“ (Episode 1, 4:37-4.40). Espenlaub erzählt, wie Thiel in Stanford ein Netz von Gleichgesinnten aufbaute, mit denen er später Unternehmen gründete.

Aber nicht der Unternehmer steht im Zentrum des Podcasts, sondern Thiel als „Strippenzieher hinter der ideologischen Zeitenwende, die die USA gerade erleben“ (Episode 1, 1:35-1:38). Deshalb wird Thiels Werdegang vor allem für Einblicke in sein Weltbild und strategisches Handeln genutzt. Aufgewachsen in einer christlich-konservativen Familie empfand er sich früh als Außenseiter und entwickelte eine Vorliebe dafür, Liberale zu provozieren. In Stanford gründete er auch deshalb mit anderen Verbündeten die libertäre Uni-Zeitung Stanford Review, die zur „Keimzelle des Thielverse“ (Episode 1, 23:02-23:03) wurde. So bezeichnet Thiel-Biograf Max Chafkin, der im Podcast ausgiebig zu Wort kommt, dessen Netzwerk, in dem politische und geschäftliche Interessen ineinander übergehen. Thiels risikoreiche Strategie, in Start-Ups zu investieren, die eine Neuerfindung bzw. „Disruption“ eines Wirtschaftszweigs versprechen und sich damit gegen den Common Sense zu stellen, wird im Podcast zu einer allgemeineren Charakterisierung seiner Persönlichkeit als „Contrarian“ (Episode 2, 19:00). Ebenso zeige die Art, wie Thiel Musk aus der gemeinsamen Firma Paypal verdrängte, „wie Peter Thiel bis heute im Hintergrund, im Geheimen mit einem Netzwerk an Verbündeten [agiert]“ (Episode 2, 12:40-12:47). Aus einer frühen Leidenschaft für Schach entwickelt der Podcast die zentrale Metapher für dieses Handeln: Thiel sei ein Schachspieler, der „langfristig und strategisch denkt, seine Verbündeten wie Schachfiguren in Position bringt und allen anderen immer ein paar Moves voraus ist“ (Episode 1, 8:45-8:55). Beispielhaft dafür werden sein frühes Engagement für Trump während des ersten Präsidentschaftswahlkampfs, die Unterstützung von J.D. Vances politischer Karriere und Thiels finanzielle Unterstützung der Klage von Hulk Hogan gegen den Klatsch-Blog Gawker präsentiert. Als zentrale Motive für Thiels politisches Engagement macht der Podcast Thiels Angst vor höheren Steuern und seine libertären sowie katholischen Überzeugungen aus, die ihn dazu führen, auch öffentlich die Demokratie infrage zu stellen. In der letzten Episode zeigt der Podcast, dass Thiel sich für ein theologisches Konzept interessiert, das eine rücksichtslose autoritäre Politik legitimieren könnte. Schlussendlich zeichnet der Podcast ein Bild von Thiel als klugem Strippenzieher im Hintergrund, der von langer Hand den „Vibe-Shift“ (Episode 1, 5:06) geplant hat, den wir vermeintlich gerade erleben, und der bedrohliche Pläne für die Zukunft der Demokratie in den USA und für die Welt insgesamt hat.

Es ist wichtig, auf die antidemokratischen Tendenzen in der amerikanischen Tech-Szene aufmerksam zu machen, die diese kaum mehr verheimlicht. Thiels Überzeugungen können nicht einfach, wie es Jürgen Kaube in der FAZ getan hat, als „private Marotten“ bagatellisiert werden, da er effektiv Einfluss auf die US-Politik nimmt.[2] Allerdings folgt der Podcast, trotz kritischem Impetus, sehr stark den Erzählungen und Inszenierungen seines Protagonisten. Diese mangelnde Distanz wird auch in der Sprache deutlich, wenn „Vibe-Shift“ und „Contrarian“ als neutrale Beschreibungen verwendet werden. Mit „Vibe-Shift“ bezeichnete ursprünglich der Trendscout Sean Monahan 2021 eine Rückkehr bestimmter Moden, die eher gefühlt als statistisch gemessen werden könnten.[3] Nach der Wiederwahl Trumps nutzte der Historiker Niall Ferguson diesen Begriff, um zu behaupten, dass diese (eigentlich knappe) Wahlentscheidung ein Symptom eines weitreichenden Rechtsrucks der US-amerikanischen Gesellschaft, ja gar der Welt sei.[4] Für rechte Kommentatoren ist der Begriff so attraktiv, weil dieser Wandel nicht durch Fakten belegt werden muss und er kontroversen politischen Entscheidungen eine Legitimität verschafft. Kein Wunder also, dass Peter Thiel selbst von „Vibe Shift“ spricht. Der Begriff steht in einer Tradition mit Nixons „Silent Majority“ und anderen rechten Versuchen, eine Mehrheitsposition für ihre Anliegen zu behaupten. Damit wird der politischen Gegenwart der USA eine Eindeutigkeit unterstellt, die erst einmal bewiesen werden müsste. Der Podcast spielt so einer Deutung in die Hände, die die fragwürdigen politischen Maßnahmen der Trump-Regierung als Ausdruck einer US-amerikanischen Mehrheitsmeinung versteht.

Auch das oft zur Charakterisierung von Thiel verwendete „Contrarian“ ist alles andere als neutral, was schon daran deutlich wird, dass Thiel sich selbst so beschreibt. Die elitäre Tradition des Begriffs reicht mindestens bis in die 1950er Jahre zurück, als damit ein Denken bezeichnet wurde, mit dem man sich von der Masse absetzen könne.[5] Im männlich dominierten Silicon Valley mit seinem ausgeprägten Geniekult wird darunter heute mehr als nur eine Investment-Strategie verstanden. In der elitären Tradition wird damit ein genialer Mensch (meist ein Mann) bezeichnet, der sich aufgrund seiner Intelligenz nicht um gesellschaftliche Konventionen kümmern muss. Somit adelt der Begriff jeden Regelverstoß und jedes Fehlverhalten mit dem Hauch des Genialen und legitimiert den exzessiven Reichtum dieser Männer.[6] Die Journalistin Nora Hespers hat darüber hinaus auf Bluesky darauf hingewiesen, dass „woke“ im Podcast als politischer Kampfbegriff missgedeutet wird.[7]

Obwohl immer wieder deutlich wird, dass Thiel Fehlentscheidungen trifft und von Entwicklungen überrascht wird, halten die Macher:innen des Podcasts an der Metapher vom klugen und omnipotenten Schachspieler fest, für den Thiel sich schließlich selbst hält. Es wird eine schaurige Geschichte vom faszinierenden und obskuren Bösewicht erzählt, die das Gegenstück zu einer Heldengeschichte darstellt. Was Ulrich Bröckling über die Heldenbewunderung schreibt, gilt auch für den Schauer angesichts cleverer Bösewichter: Diese Erzählungen sind eine Form der „Selbstverkleinerung; kein Empowerment, sondern eine Schule der Resignation“.[8] Thiel stößt im Podcast auf keinerlei effektiven Widerstand, niemand stellt sich ihm erfolgreich entgegen, vielleicht auch, weil sich der Podcast nicht für den Alltag interessiert, in dem weder Helden noch Bösewichter sich entfalten können. Die vom Podcast inszenierte Allmacht Thiels lässt sich – ähnlich wie ein Horrorfilm – nur mit einem ohnmächtigen Gruseln genießen. Dabei lässt sich die Geschichte mächtiger Männer aus dem Silicon Valley auch ganz anders erzählen, wie in Teil 2 anhand der US-Journalistin Karen Hao gezeigt werden soll.

 


[1] Jürgen Kaube: Citizen Thiel, in: Frankfurter Allgemein Zeitung vom 6.7.2025.
[2] Kaube, Citizen Thiel. (siehe Anmerkung 1)
[3] Sean Monahan: I predicted the ‘vibe shift’ – and watched it sweep the world. Here’s what it actually means, Guardian vom 19.12.2022. 
[4] Patrick Bahners: Donald Trump, Modezar, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 24.3.2025
[5] Humphrey B. Neill: The Art of Contrary Thinking, Caldwell 1954.
[6] Johannes Franzen: Giftige Genies, in: Die Zeit vom 21. April 2023; Adrian Daub: Was das Valley denken nennt, Berlin 2020.
[7] Nora Hespers, Bluesky, 23. Juli 2025, Kommentar zum Peter Thiel Podcast.
[8] Ulrich Bröckling: Postheroische Helden. Ein Zeitbild, Berlin 2020, S. 25.

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Zitation

Florian Hannig, Mächtige Geschichten. Der Journalismus und das Silicon Valley. Teil 1:. Die Peter Thiel Story, in: Zeitgeschichte-online, , URL: https://www.zeitgeschichte-online.de/themen/maechtige-geschichten-der-journalismus-und-das-silicon-valley-teil-1