Denkmäler werden zu einem bestimmten Zeitpunkt als dauerhafte, beständige Orte des Erinnerns angelegt. Damit spiegeln sie das Geschichtsbewusstsein der Menschen, die sie setzen, zum Zeitpunkt der Denkmalplanung und -errichtung. Denkmäler sagen demnach mehr über die Zeit und deren Gedanken und Ideologien aus, zu der sie errichtet wurden als über den geschichtlichen Gegenstand, wie ein historisches Ereignis oder eine historische Person, auf den sie sich beziehen.
Peter Reichel spricht hier von "Zeugnisse[n] einer doppelten historischen Zeit."[1]

 

Denkmäler sind Spiegel bestimmter Deutungen

Deshalb muss bei der Denkmalerschließung stets danach gefragt werden, welche Deutung und wessen Deutung, welches und wessen Geschichtsbewusstsein bei der Produktion eines Denkmals dominant ist und damit bei der Denkmalsetzung zum Ausdruck kommt. Meist trifft dies nicht pauschalisierend auf die für das Denkmal (scheinbar) verantwortliche gesellschaftliche Gruppe zu.[2] Vielmehr spiegeln sich in Denkmälern zum Zeitpunkt ihrer Errichtung populäre Deutungsangebote, die gesellschaftlich nicht nur eine gewisse politische Zustimmung, sondern damit zusammenhängend auch finanzielle Unterstützung erhalten haben und nur deshalb überhaupt errichtet werden konnten. Zuweilen spiegeln Denkmäler auch Aushandlungsprozesse verschiedener gesellschaftlicher Gruppen wider, wenn beispielsweise über den Ort der Errichtung, die Ausgestaltung des Denkmals oder auch das Denkmal an sich kontrovers gestritten wurde und die endliche Denkmalsetzung einen Kompromiss darstellt.

Das Setzen von Denkmälern hat folglich verschiedene Dimensionen, die als räumliche, erinnerungspolitische, machtpolitische und schließlich exkludierende Dimensionen bezeichnet werden können.

 

Denkmäler sind räumliche Setzungen

Mit Denkmälern wird öffentlicher Raum besetzt und der Anspruch erhoben, für eine bestimmte Öffentlichkeit, eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe zu stehen, für diese etwas zu repräsentieren und Identität zu stiften.[3] Dem Geschichtsdidaktiker Andreas Körber zufolge, zeigen sich hier eine objektive und eine subjektive Form von Authentizitätsmarkierung[4]: Zum einen finden sich Denkmäler oft an jenen Orten, auf die sie sich thematisch beziehen, etwa einem Kriegsschauplatz im Falle eines Kriegerdenkmals oder vor einem Palast im Falle einer Königsstatue, und sind damit objektiv authentisch markiert. Zum anderen steckt in jedem Denkmal auch ein subjektiver Authentizitätsausruf. Denn mit der Setzung wird ein Anspruch auf eine relevante, "wahre" und für eine "imagined community"[5] als gültig angesehene Vergangenheit formuliert und bestimmte Betrachter*innen adressiert. So wird Otto von Bismarck in zahlreichen Denkmälern in ganz Deutschland als eine große Persönlichkeit in der deutschen Geschichte wortwörtlich "in Stein gemeißelt" und damit gleichzeitig zum Zeitpunkt der Errichtung dieser Denkmäler auch diejenige Deutung der Vergangenheit, die Bismarck als eine große deutsche Persönlichkeit verehrt. Die Denkmäler richten sich dabei an die imaginierte Gemeinschaft der deutschen Nation, zeitlos vom Zeitpunkt der Setzung bis in die Gegenwart und Zukunft, und schreiben damit auch einen Teil der Geschichte dieser imaginierten Gemeinschaft und legitimieren diese als "authentisch".

 

Denkmäler sind erinnerungspolitische Setzungen

"Wer ein Denkmal setzt, privilegiert einen bestimmten Blick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft."[6] Das heißt, indem ein Denkmal gesetzt wird, wird auch ein bestimmtes Deutungsangebot der Vergangenheit gesetzt und damit kollektives Geschichtsbewusstsein in bestimmter Hinsicht geprägt. Dies kann insbesondere bei rituellen Feierlichkeiten beobachtet werden, wie das Grunwald-Denkmal zeigt. Die Inszenierung der Feierlichkeiten an einem Denkmal, einem Erinnerungsort, zeigt häufig auf eindrückliche Weise, wie ein Denkmal kollektiv gelesen wird oder gelesen werden soll, wenn etwa Veteran*innen oder bestimmte politische Redner*innen eingeladen werden. Gleichzeitig können derlei Feierlichkeiten die symbolische Bedeutung des Denkmals über den plastischen Gegenstand hinaus festigen, sodass das Denkmal zu einer „narrativen Abbreviatur“[7] im kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft wird. Beispiele dafür sind häufig überregional bekannte Denkmäler wie "das Völkerschlacht-Denkmal“ in Leipzig oder „das Bismarck-Denkmal" in Hamburg, das in den letzten Jahren zum Sinnbild für eine öffentliche Debatte zum Umgang mit Denkmälern geworden ist.[8] Auch das Bild des Denkmals „Angle“ in Gettysburg, einer Stadt in Pennsylvania in den USA, in der eine zentrale Schlacht in der Zeit des US-amerikanischen Bürgerkrieges 1863 stattfand, zeigt dies. Auf dem Bild ist die Jubiläumsfeier im Jahre 1913 zum 50. Jahrestag der Schlacht zu sehen, bei der sich Veteranen der Konföderierten und der Union symbolisch die Hände als Zeichen der Versöhnung reichen. Dies lässt sich als eine erinnerungspolitische Inszenierung zur Bekräftigung der Vereinigung der beiden Seiten, der Nord- und der Südstaaten in den USA zum Zeitpunkt des Jubiläums lesen. Denkmäler werden folglich als bedeutsamer empfunden, je mehr Bedeutung ihnen von großen (und privilegierten) gesellschaftlichen Gruppen auch in der Gegenwart noch beigemessen wird.

 

„The Angle“ International News Service: Now the „Friendly Angle“, 2013. Lizenz: „No known restrictions on publication“.

 

Denkmäler sind machtpolitische Setzungen

Dass Denkmalsetzungen machtvoll sind, geht bereits aus den ersten beiden Aspekten der räumlichen und der erinnerungspolitischen Setzungen hervor. Denn nicht alle gesellschaftlichen Gruppen haben die gleichen Möglichkeiten und Ressourcen, wie etwa politischen Einfluss und Geld, um Denkmäler zu errichten. Zudem sind auch die damit verbundenen Auseinandersetzungen oft geprägt von gesellschaftlichen Hierarchien und politischen Machtverhältnisse.[9] Das heißt nicht, dass zivilgesellschaftliche Akteur*innen an der Errichtung und Pflege von Denkmälern unbeteiligt wären.[10] Allerdings können dies nur jene Personen und Gruppen sein, deren Sprechen autorisiert und legitimiert ist, das heißt, die die entsprechende Macht und Ressourcen besitzen, ihre Interessen zu vertreten. Gleichzeitig bekräftigen und legitimieren Denkmalsetzungen selbst die Wertvorstellungen derjenigen Gruppe, die das Denkmal setzen, aufs Neue – den Werten dieser Gruppe wurde wortwörtlich "ein Denkmal gesetzt".[11]

Denkmalsetzungen lassen sich im Anschluss daran mit Judith Butler als performative Akte verstehen. Butler betont in Anlehnung an John L. Austin, Pierre Bourdieu, Michel Foucault und Jaques Derrida, dass auch Sprechakte[12] Handlungen sind. Damit lassen sich auch Denkmäler als "Handlungen" bezeichnen. Diese könnten insofern autoritativ, also Deutungen privilegierend und legitimierend, wirken, als dass sie auf frühere autoritative Sprachhandlungen aufbauen. Dadurch, so Butler, stellt ein entsprechender Sprechakt an sich schon eine „ritualisierte Praktik“[13] dar. Auf Denkmäler bezogen heißt das einerseits, dass Denkmäler insbesondere von solchen Gruppen gesetzt werden, die bereits privilegiert und legitimiert sind, etwa durch Geld oder einen bekannten Namen. Andererseits setzen diese Gruppen wiederum Denkmäler häufig für Deutungen, die im Vorhinein innerhalb ihrer Gruppe bereits legitimiert und privilegiert, das heißt anerkannt sind.  Ein Begriff oder eine Äußerung könne nur dann performativ funktionieren, "wenn ihre Kraft [...] geschichtlich aufgebaut und zugleich verborgen ist".[14] Insofern sind auch Denkmalsetzungen performative Akte weil durch sie bereits autorisierte (Sprech-)Handlungen manifestiert und machtpolitisch wirksam werden. Der Historiker Wolfgang Hardtwig bezeichnet diese Überhöhung und Verdichtung bestimmter Deutungen von Geschichte durch anschauliche Symbolisierung als ein typisches Merkmal von Denkmälern.[15]

 

Die Hamburger Barlach-Stele: „Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege“ (mit Farbbeutel-Spur) Magnus Manske: Hamburg WW1 monument (front).jpg, 23.10.2015. CC BY-SA 2.5 .

 

Denkmäler sind exkludierende Setzungen

Bestimmte gesellschaftliche Interessensgruppen handeln also autoritativ, indem sie zu dem Zwecke der Festsetzung eigener (Be-)Deutungen von Geschichte Denkmäler setzen. Sie verfolgen damit eigene Interessen und manifestieren allgemeine Denk- und Handelsmuster. Nicht zum Sprechen autorisierte, unter- und nichtprivilegierten Gruppen der Gesellschaft werden damit im Umkehrschluss bei der Setzung bestimmter historischer Deutungen exkludiert. Diese Gruppen sind meist von vorneherein vom Prozess der Denkmalsetzung ausgeschlossen. Auf lange Sicht führt dies mit sich, dass weniger privilegierte Deutungsangebote historischer Ereignisse seltener erinnert und rascher kollektiv vergessen werden können. Dies beeinflusst auf erhebliche Weise das Geschichtsbewusstsein der gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft und kann damit auch Exklusion reproduzieren. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass einige Deutungsangebote in demokratischen Gesellschaften auch als problematisch angesehen werden sollten, etwa wenn sie Unrecht verherrlichen. In diesem Falle könnte es moralisch geboten sein, z.B. nationalistische Denkmäler zu vernachlässigen.

Auch Mahnmale als „allgemeinmenschliche Erinnerung an die Folgen von Gewalt und Gewaltherrschaft“[16] können noch insofern exkludierend wirken, als dass sie sich häufig ebenfalls gezielt an bestimmte "imagined communities[17]wie etwa eine Nation richten und die Perspektive der Opfer, derer am Denkmal gedacht wird, nicht miteinbeziehen, wie das "Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege" mit seiner Inschrift "Vierzig tausend Söhne der Stadt ließen ihr Leben für euch", das sich an die heutige Bevölkerung richtet, beispielhaft zeigt.[18]

 

 

[1] Peter Reichel: Politik mit der Erinnerung. Gedächtnisorte im Streit um die nationalsozialistische Vergangenheit. München 1995, S. 49.
[2] Gerhard Schneider: Kriegerdenkmäler als Geschichtsquellen – Didaktisch-methodische Bemerkungen zum Unterricht im 9. bis 13. Schuljahr, in: Hans-Jürgen Pandel/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch der Medien im Geschichtsunterricht, 6. Aufl. Schwalbach/Ts. 2011, S. 557–610, hier S. 572.
[3] Biljana Menkovic: Politische Gedenkkultur. Denkmäler – die Visualisierung politischer Macht im öffentlichen Raum. Wien 1999, S. 1.
[4] Andreas Körber: Historical thinking and historical competencies as didactic core concepts, in: Teaching historical memories in an intercultural perspective (2014), S. 69–93, hier S. 79 f.
[5] Der Begriff der „imagined community“ wurde maßgeblich von Benedict Anderson geprägt, der diesen in seiner Arbeit über moderne Nationenbildung im 19. Jahrhundert einführte. Nationen als „imagined communities“ zeichnen sich laut Anderson durch folgende Charakteristika aus: Sie sind imaginiert, da die Bezugsgruppe jeweils zu groß ist, um alle sie umfassenden Menschen zu kennen. Sie sind begrenzt, insofern dass nie alle Menschen einer einzigen Nation angehörig sind und sein können. Nationen sind souverän, da sie sich zu einer Zeit herausbildeten, als die Religion durch die Aufklärung als oberste (Glaubens-) Instanz abgesetzt und durch den Staat ersetzt wurde. Und sie sind Gemeinschaften und werden trotz faktischer Ungleichheiten als enger Verbund angesehen. Diese Charakteristika können alle – zum Teil in etwas abgewandelter Form – auch zur Bestimmung anderer „imagined communities“ wie z.B. regionale Bevölkerungsgruppen, Minderheiten, herangezogen werden. Benedict Anderson: Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London 2016, S. 6 f. Hier werden als „imagined communities“ nicht nur Nationen, sondern allgemein „Wir“-Konstruktionen von gesellschaftlichen Gruppen mit den genannten Eigenschaften verstanden. Diese sind souverän, weil sie (meistens) gegenwärtige Machtverhältnisse und deren Deutungsmuster widerspiegeln.
[6] Wolfgang Hardtwig: Denkmal, in: Klaus Bergmann/Klaus Fröhlich/Annette Kuhn/Jörn Rüsen/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, 5. Aufl. Seelze-Velber 1997, S. 747–752, hier S. 751. Hardtwigs Formulierung spielt auf Karl-Ernst Jeismanns Definition von Geschichtsbewusstsein als „Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive“ im selben Band an, siehe: Karl-Ernst Jeismann: Geschichtsbewußtsein. In: Klaus Bergmann/Klaus Fröhlich/Annette Kuhn/Jörn Rüsen/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, 5. Aufl. Seelze-Velber 1997, S. 40–43, hier S. 40.
[7] Jörn Rüsen/Klaus Fröhlich/Hubert Horstkötter/Hans Günter Schmidt: Untersuchungen zum Geschichtsbewußtsein von Abiturienten im Ruhrgebiet, in: Bodo von Borries/Jürgen Pandel/Jörn Rüsen (Hg.): Geschichtsbewußtsein empirisch. Pfaffenweiler 1991, S. 221–344, hier S. 231
[8] Siehe beispielhaft den Beitrag: Hamburger Bismarck-Denkmal in der Kritik – Künstler-Wettbewerb soll die Person historisch einordnen, 22.08.2022, in: SWR 2, Kultur aktuell, zuletzt aufgerufen am 30.11.2022.
[9] Biljana Menkovic: Politische Gedenkkultur. Denkmäler – die Visualisierung politischer Macht im öffentlichen Raum. Wien 1999, S. 153.
[10] Reinhart Koselleck: Einleitung, in: Reinhart Koselleck/Michael Jeismann (Hg.): Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler in der Moderne. München 1994, S. 9–20, hier S. 18.
[11] Wolfgang Hardtwig: Denkmal, in: Klaus Bergmann/Klaus Fröhlich/Annette Kuhn/Jörn Rüsen/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, 5. Aufl. Seelze-Velber 1997, S. 747–752, hier S. 751.
[12] Judith Butler: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Frankfurt am Main 2006, S. 249. In dem Buch geht es vorrangig um sprachliche Handlungen, Butler bemerkt jedoch, dass auch nicht-sprachliche Handlungen „als gesellschaftliche Rituale, als wirkungskräftige Praxisformen“ (ebd.) wirksam sein könnten. Als solche werden hier auch Denkmäler verstanden. Diese stehen häufig in Zusammenhang mit ritualisierten Erinnerungsformen, wie beispielsweise die Jahrestagsfeiern am Angle.
[13] Judith Butler: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Frankfurt am Main 2006, S. 84.
[14] Judith Butler: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Frankfurt am Main 2006, S. 84.
[15] Wolfgang Hardtwig: Denkmal, in: Klaus Bergmann/Klaus Fröhlich/Annette Kuhn/Jörn Rüsen/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, 5. Aufl. Seelze-Velber 1997, S. 747–752, hier S. 751.
[16] Wolfgang Hardtwig: Denkmal, in: Klaus Bergmann/Klaus Fröhlich/Annette Kuhn/Jörn Rüsen/Gerhard Schneider (Hg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, 5. Aufl. Seelze-Velber 1997, S. 747–752, hier S. 751.
[17] Benedict Anderson: Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London 2016, S. 6 f.
[18] Für Bilder und weitere Informationen siehe: Katy Trick: Hamburger Ehrenmal. Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege, zuletzt aufgerufen am 30.11.2022.