von Rebecca Wegmann

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12. August 2019

Am 12. August 1944 vor 75 Jahren verübte die 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer-SS“ ein Massaker in Sant’Anna di Stazzema, einem kleinen italienischen Hirtendorf in der Toskana, in dem sich in diesen Augusttagen ungefähr 300 Einwohner*innen und mehrere hundert Flüchtlinge befanden.
Die genaue Opferzahl dieses Massakers der SS ist nicht bekannt. Es wurden jedoch mehrere hundert Menschen, darunter vor allem Frauen, Kinder und Ältere ermordet.

Im Nachkriegsitalien wurde das Massaker über Jahrzehnte hinweg totgeschwiegen und von der italienischen Justiz nicht verfolgt, sodass die deutschen Täter keine Strafverfolgung fürchten mussten. Die Akten über den Vorfall lagerten bis 1994 in einem versiegelten, mit der Tür zur Wand gestellten Schrank, auch „Schrank der Schande“ genannt, im Palazzo Cesi, dem Sitz der Militärstaatsanwaltschaft in Rom.

Im April 2004 eröffnete das Tribunale Militare di La Spezia, das Militärgericht von La Spezia, einen Prozess gegen mehrere noch in Deutschland lebende Täter. Am 22. Juni 2005 wurden zehn frühere SS-Angehörige zu lebenslanger Haft sowie Entschädigungszahlungen in Höhe von etwa 100 Millionen Euro verurteilt. Das Urteil wurde 2006 von einem Militärgericht in Rom bestätigt. Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelte seit 2002 gegen neun der später in Italien Verurteilten. Das langjährige Ermittlungsverfahren wurde jedoch 2015 wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten eingestellt. Deutschland lieferte keinen einzigen der verurteilten Kriegsverbrecher aus. Auch die gefällten Urteile vollstreckte die deutsche Justiz nicht, sodass es bis heute keine Gerechtigkeit für die Überlebenden des Massakers gibt.

 

Anlässlich des 75. Gedenktages an das Massaker erinnert zeitgeschichte|online an dieses Kriegsverbrechen und gedenkt der Opfer.
Wir wollen auf Texte und Filmdokumente aufmerksam machen, die sich mit den Ereignissen im August 1944 auseinandersetzen. Dazu gehört der Dokumentarfilm des 1963 geborenen Regisseurs Jürgen Weber: „Das zweite Trauma – das ungesühnte Massaker von Sant´Anna di Stazzema“ von 2014. Im selben Jahr, zum 70. Gedenktag des Massakers, erschien der Sammelband „Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema mit den Erinnerungen von Enio Mancini“, in dem der 1960 geborene Historiker Carlo Gentile in einem Beitrag den „Fall“ „Sant’Anna di Stazzema 12. August 1944: Rekonstruktion eines Massakers“ rekonstruiert. Daneben haben wir für unsere Leser*innen weitere Materialien zusammengestellt: 

 

Carlo Gentile: Sant’Anna di Stazzema 12. August 1944: Rekonstruktion eines Massakers. In: Das Massaker von Sant’Anna di Stazzema mit den Erinnerungen von Enio Mancini“, herausgegeben von Gabriele Heinecke, Christiane Kohl und Maren Westermann. Hamburg 2014. 

Auf der Grundlage von Archivakten rekonstruiert der Historiker Carlo Gentile in seinem Beitrag „Sant’Anna di Stazzema 12. August 1944: Rekonstruktion eines Massakers“ die schrecklichen Geschehnisse. Der Text ist eine überarbeitete Version früherer Forschungen des Autors zum Fall Sant’Anna di Stazzema. Berücksichtigt werden hier z.T. auch die Ergebnisse seines Gutachtens von 2013 über die Einstellung der Ermittlung der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Die Fußnoten verweisen hier lediglich auf die wichtigsten Quellen und die Literatur, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Zeugenaussagen werden mit Namen und Datum angegeben. Sie befinden sich alle als Kopie in seinem Archiv. Zurzeit arbeitet Gentile an einer umfassenderen Gesamtdarstellung des Geschehens um Sant’Anna di Stazzema.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors Carlo Gentile und des Laika Verlags Hamburg stellt zeitgeschichte|online diesen Beitrag als Material unseren interessierten Leser*innen zum Nachlesen hier zur Verfügung. 

 

Dokumentarfilm  „Das zweite Trauma – das ungesühnte Massaker von Sant´Anna di Stazzema“ von Jürgen Weber, 2014. 

 

Sant’Anna di Stazzema. Eintrag in Gedenkorte Europas

 

la resistenza - Faschimus und Widerstand in Italien unter deutscher Besetzung. Infos, Zeitzeugnisse, Veranstaltungen.